Stuttgart 21 - ein paar Anmerkungen

Vergleich mit Echterdinger Ei

Die Struktur von Stuttgart 21 ist sehr klar gehalten. Die Grundlage sind zwei doppelspurige Strecken, wobei jedes der vier Streckengleise an jeweils zwei Bahnsteiggleise anschließt. Die in der Tunnelführung jedes Bahnhofskopfes eingeplante Überkreuzung dient eigentlich nur dazu, die Bahnsteiggleise gleicher Richtung zu bündeln.


Links eine Prinzipskizze mit Strecken- und Bahnhofsgleisen. Rechts die schematische Struktur mit den Bahnhofsgleisen in der richtigen Abfolge.

In seiner klaren Formsprache erinnert Stuttgart 21 an das Echterdinger Ei in seiner Ursprungsform, einem Kreisverkehr in der Zwischenebene mit der durchlaufenden Autobahn A8 oben und der Bundesstraße B27 unten. Links zu sehen, ist die Form eigentlich noch stringenter als die klassische Kleeblattform für Autobahnkreuzung. Am unteren Ende ist die Halbausfahrt nach Echterdingen noch mit abgebildet.

Aufgrund von Kapazitätsengpässen ist dieses Autobahnkreuz in den letzen Jahren umgebaut worden, es wurden etliche Fahrspuren und Brückenbauten hinzugefügt. Die klare Formsprache der früheren Jahre ist der rechts gezeigten komplexeren Formgebung gewichen, deren verflochtene Wegführung gewisse Ähnlichkeiten mit den Gleisüberwerfungen im Vorfeld des aktuellen Hauptbahnhofs Stuttgart nicht verleugnen kann.

Durchgangsbahnhof à la Stuttgart 21

Aufgrund von Sachzwängen wie der Lage quer zum Nesenbachtal und umliegenden Gebäuden bleibt der in der Planungsphase durchaus optimierte Entwurf von Stuttgart 21 von der Leistungsfähigkeit eines optimal entwerfbaren Durchgangsbahnhofs gleicher Gleiszahl deutlich entfernt. Dennoch sollen, auch wieder aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, eben nur acht Bahnsteiggleise gebaut werden.


Schematischer Gleisplan von Stuttgart 21. Nicht alle Fahrmöglichkeiten sind gezeigt, insbesondere die Weichenverbindungen zwischen unterer und oberer Hälfte sind weggelassen (Leser, sollten Sie aktuelle maßstäbliche Planungen kennen, wäre ich daran durchaus interessiert).

Wenn eine angemessene Zahl an Zügen in Stuttgart 21 halten soll, erfordert dies das Durchpumpen der Züge bei kürzestmöglicher Haltedauer am Bahnsteig, was einen kleinen Anteil an vollen Korrespondenzanschlüssen ergibt und bei Umsteigeverbindungen zu mittleren Wartezeiten von etwa der halben Taktzeit der Zuglinien führt, weil die Züge zeitgeordnet sind und immer nur auf nachfolgende Züge umgestiegen werden kann (diese sich aus allgemeinen Prinzipien ergebende Schlußfolgerung würde ich gerne anhand eines konkreten Beispielfahrplans nachvollziehen).


Reduzierte Ein- und Ausfahrgeschwindigkeiten für auf roter Trasse einfahrenden Zug wegen Belegung des normalen Durchrutschweges, gelb markiert, durch einen auf der grüner Trasse ausfahrenden Zug. Die blaue und die violette Trasse kreuzen sich höhengleich und können nur nacheinander befahren werden.

Die begrenzte Länge der Bahnhofsköpfe bedingt eine reduzierte Einfahrtgeschwindigkeit, wenn durch die Ausfahrtstraße eines Zuges der Durchrutschweg blockiert wird. Durch das aktuell meistbenutzte Zugsicherungssystem PZB90 wird in einem solchen Fall auch eine reduzierte Ausfahrtgeschwindigkeit nach dem Zughalt vorgegeben (Stichwort Paddington-Effekt: im Vorgriff auf ein zukünftiges leistungsfähiges Signalsystem wurde ein sparsames Gleislayout gebaut, wobei dann allerdings das neue Signalsystem nie eingeführt wurde).

Das Fehlen von höhenfreien Zufahrten ergibt Fahrstraßenausschlüsse für kreuzende Linienführungen. Also entweder eingeschränktes Programm ohne Verbindungen wie Ludwigsburg-Esslingen und Backnang-Flughafen oder Kapazitätsverlust, weil die Züge nur nacheinander den Bahnhofskopf durchfahren können (eine kreuzungsfreie Ausfahrt wäre unter Querung der Gegengleise und der Nutzung eines linken Streckengleises möglich).
(Anmerkung: dazu hatte ich schon mal was geschrieben)

Nach meinen persönlichen Beobachtungen bestimmen die Fahrgastwechselzeiten am Bahnsteig die minimal sinnvolle gesamte Haltezeit. Diese könnten durch die Einrichtung von "spanischen Bahnsteigen", gemeint sind Bahnsteigkanten beiderseits des Gleises, reduziert werden. Auch wären dadurch mehr Umsteigeverbindungen am selben Bahnsteig höhengleich ohne Treppenbenutzung möglich.


Ertüchtigungen wie die drei zuerst erwähnten Maßnahmen sind wegen der unterirdischen Zufahrten nach dem Bau in Beton gegossene Unmöglichkeit oder mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden. Einzig für die Einrichtung zweier zusätzlicher Bahnsteiggleise scheinen die Planungen eine Option vorzusehen.

Tunnelzufahrten

Schon Verlauf der Planungsphase von Stuttgart 21 wurden die Vorschriften für Tunnelsicherheit verschärft. In der Folge sind lange Tunnel mit mindestens zwei Röhren anzulegen, pro Röhre liegt jeweils nur ein Gleis, was bei etlichen Tunnelprojekten Kostensteigerungen mit sich gebracht hat. Obgleich die technische Sicherheit von Tunnels eigentlich gegeben ist, bieten sie ein weiches Ziel für kriminelle Akte, und als solches stehen sie besonders im Blickfeld der Öffentlichkeit, der Medien und der Sicherheitsbehörden. Vorkehrungen der technischen Seite am Beispiel des Gotthardtunnels sind beispielsweise die weichenlose Erreichbarkeit von Nothaltestellen. Bei einer Projektion der aktuellen Trends in die Zukunft zeichnen sich die Möglichkeit noch stringenterer Vorschriften ab. Im Falle von Stuttgart 21 könnte dies die Bedingung der gestellten Einfahrt in ein freies Bahnhofsgleis für die Befahrung eines der Zufahrtstunnels sein. Der Kapazität der Infrastruktur wäre dies nicht zuträglich.

Bauzeit und Nutzungsdauer

Nach etlichen Jahren Baustelle für die Errichtung von Stuttgart 21, wieviele Jahre wird Stuttgart 21 dann baustellenfrei in Betrieb sein, bevor nötige Erweiterungen dann wieder zu einem Baustellenzustand führen?

Klaus Föhl 2007-08-05